ORGANISATION
Gut gerüstet für den „War for talents“
Fachkräftemangel: Wo Unternehmen Experten finden
Bei 400.000 Zuwanderer pro Jahr, braucht Deutschland dringend neue Fachkräfte, um die Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, so die Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Agentur für Arbeit. Aktuelle Beispiele, wie die Entwicklung neuer Impfstoffe oder Medikamente, sowie die, durch Corona vorangetriebene, Digitalisierung haben in jüngster Zeit einmal mehr offengelegt, dass an vielen Stellen Handlungsbedarf besteht. Pharma-Firmen, die durch medizinische Entwicklungen schnell qualifiziertes Personal benötigen oder die zunehmende Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette, für die verstärkt IT-Spezialisten gefragt sind – der Fachkräftemangel ist akut und wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. „Die Auswirkungen des MINT-Fachkräftemangels reichen von Innovationsverlust über fehlendes Know-how bis hin zu einem ausgebremsten Wirtschaftswachstum. Unternehmen, die auf der Suche nach den besten Köpfen sind, müssen zukünftig auf verschiedene Säulen im Recruiting setzen und über den internationalen Tellerrand blicken. Denn es gibt durchaus noch Potenziale in der Personalsuche, die vielfach noch nicht genutzt werden“, so Timo Lehne, Senior Managing Director des Personalberatungsunternehmens SThree.
Hochschulmarketing: Studierende informieren und frühzeitig binden
Was andere Länder längst selbstverständlich praktizieren, führt hierzulande immer noch ein Schattendasein: Hochschulmarketing und die Konzentration auf die Fachkräfte der Zukunft stecken in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Ein Fokus liegt in Deutschland oftmals auf Berufseinsteigern mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung. Doch gerade an den Hochschulen und Universitäten können Firmen vorsorgen, indem sie die (künftigen) Absolventen schon in der Ausbildung für den Beruf begeistern und aus der Praxis berichten, was die einzelnen Berufsbilder des MINT-Bereichs umfassen, was die Ein- und Aufstiegschancen sind und welche Berufe, jenseits der landläufig bekannten, genau ergriffen werden können. Die Bindung zu potenziellen Mitarbeitern, denen man mit dem entsprechenden Engagement Orientierung und Perspektiven bietet, zahlt sich in der Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit aus. „Viele haben während ihres Studiums noch kein klares Bild von ihrem zukünftigen Beruf – und wissen auch nicht genau, welche Teilbereiche ihnen nach dem Abschluss offenstehen. Erfahrene Mitarbeiter sowie Unternehmen können hier eine gute Orientierung bieten, um die ersten Schritte in die Arbeitswelt wesentlich zu erleichtern und gleichzeitig für hochqualifizierten Nachwuchs zu sorgen. Eine echte Win-win-Situation“, findet Timo Lehne.
Schlummerndes Potenzial: Frauen in MINT-Berufen
Verglichen mit anderen MINT-Branchen, ist der Anteil an Frauen in der Pharmabranche durchaus hoch. Das geht aus Zahlen hervor, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) zusammengestellt hat: In der deutschen Pharmaindustrie sind rund 41 Prozent der Arbeitnehmer weiblich. „Dies ist ein Weg, den die Branche unbedingt weiterverfolgen sollte und es gilt, durch entsprechende Förderung noch mehr Mädchen und Frauen für einen dieser spannenden Berufe zu begeistern“, führt Timo Lehne aus. Hierfür bieten sich firmeneigene Initiativen, ebenso wie das Engagement in entsprechenden Netzwerken, an. Ernst gemeinte und strategisch aufgestellte Diversity-Initiativen zahlen heute auch entscheidend auf das Image als Arbeitgeber ein.
Auch der Wandel hin zu Remote oder Hybrid Work hat hier neue Möglichkeiten eröffnet. Flexiblere Arbeitszeitgestaltung erleichtert die Vereinbarkeit von Job und Familie für Mütter, – aber ebenso für Väter –, die auch in Zukunft beide Bereiche kombinieren möchten. Und auch die Rückkehr aus der Elternzeit ist leichter möglich, wenn man nicht zwingend jeden Tag ins Büro fahren muss.
Quereinsteiger als Fachkräftequelle
„Gerade in der Pharmabranche sind oftmals die „geraden“ Lebensläufe gefragt und es gibt kaum Platz für Quereinsteiger – hier lassen Unternehmen jedoch große Chancen liegen. Denn insbesondere im Hinblick auf digitale Fähigkeiten, lohnt es sich den Blick über den Tellerrand zu wagen. Erfahrungsgemäß eröffnen die Skills von Quereinsteigern aus anderen Branchen neue Perspektiven und treiben Innovationen voran, gerade beim Ausbau der neuen Technologien“, berichtet Timo Lehne. Klar ist aber auch: ein Quereinstieg gelingt sicher nicht in allen Bereichen, wie beispielsweise der Forschung oder jenen Berufen, in denen eine lange und besonders anspruchsvolle Ausbildung nötig ist.
Know-how nutzen: die Generation 55 plus
Im Recruiting stehen oftmals die jungen, gut ausgebildeten Fachkräfte im Fokus. Doch gerade bei erfahreneren Mitarbeitern jenseits der 55 bis 60 schlummert jede Menge Fachwissen und Berufserfahrung, von dem Unternehmen profitieren können. „Ein häufiger Einwand: Das Wissen dieser Generation sei nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Doch dem können Unternehmen mit entsprechenden Weiterbildungsangeboten entgegentreten. Dabei hat sich auch die Art des Lernens gewandelt und bietet viel Potenzial. Festgelegte, starre Präsenzveranstaltungen sind zugunsten individueller, teils virtueller Angebote und Learning on the job gewichen und sorgen für maximale Flexibilität“, so Timo Lehne.
Internationales Recruiting: Der Blick ins Ausland
Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, gehört bei vielen Arbeitgebern schon lange zur Recruiting-Strategie. „Doch auch hier schlummert noch viel Potenzial. So haben Unternehmen bestimmte Regionen, wie beispielsweise Osteuropa, noch nicht auf dem Schirm. Dabei warten gerade hier viele junge und hochmotivierte Menschen auf die Chance, in den Arbeitsmarkt zu starten und haben in ihren Heimatländern noch nicht die Möglichkeit dazu“, erläutert Timo Lehne. Die kulturelle und örtliche Nähe dieser Regionen erleichtern auch das Onboarding. Ein weiterer wichtiger Aspekt für eine erfolgreiche Einbindung: Neben Deutsch sollte auch Englisch in der internen Kommunikation gang und gäbe sein.
„Mein Appell an Unternehmen: Seid mutiger im Recruiting! Ein nicht nach „Schema F“ aufgestelltes, sondern ein „buntes“ Team birgt viel Potenzial. Voraussetzung hierfür ist eine vielfältige Recruiting-Strategie, die Unternehmen zukunftsfähig aufstellt. Denn MINT ist die Zukunft – und um die Zukunft erfolgreich zu gestalten, braucht es das bestmögliche Personal“, fasst Timo Lehne zusammen.