REINRAUM
Hightech und traditioneller Handwerkskunst
Wer denkt, dass Nähen ein etwas antiquiertes Handwerk ist, der hat die neue Produktionsstätte von Artivion (Jotec) noch nicht gesehen. Die 2022 in Betrieb genommene Firmenerweiterung strahlt auf jedem der fast 6000 Quadratmeter Modernität aus.
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Quelle: Artivion
Quelle: Artivion
Produktion unter Reinraumbedingungen
Florian Tyrs, einer der beiden Geschäftsführer in Hechingen, war schon bei der Entwicklung dieser besonderen Implantate dabei: „Wir stellen seit 10 Jahren diese patientenspezifischen Lösungen her, die von Hand genäht werden. Das schafft noch keine Maschine. Natürlich ist das mit enormem Personalaufwand verbunden, aber dadurch können wir ein hochfunktionales Produkt liefern, das in der Gefäßchirurgie ohne Anpassungen und Komplikationen eingesetzt werden kann. Das ist wirklich einzigartig auf dem Markt. Ich freue mich immer sehr, dass unsere innovativen Technologien mithelfen, Leben zu retten.“
Quelle: Artivion
Freitragende Konstruktion
Für die Planung und Installation der gesamten Reinraumtechnik wurde das ebenfalls in Baden-Württemberg ansässige Unternehmen Schilling Engineering beauftragt, das darauf spezialisiert ist, Reinräume genau nach den Anforderungen der Prozesse und Begebenheiten zu liefern. Für die mittelständische Firma war der Auftrag von Artivion der bisher größte Auftrag ihrer Geschichte.
Ute Schilling, Geschäftsführerin des Familienunternehmens, erinnert sich: „Der Auftrag war etwas ganz Besonderes. Das Layout wurde nach dem Produkt- und Prozessfluss von Artivion optimiert und vorgegeben. Somit hat sich der Reinraum an die Anforderungen und Abhängigkeiten der 22 Räume mit den örtlichen Voraussetzungen ausgerichtet. Die Produktionsfläche sollte komplett erhalten werden und gleichzeitig durfte an der Gebäudestruktur der Halle keine Veränderung vorgenommen werden. In einem Engineering wurde die technische Umsetzung geprüft, die Klimatechnik ausgelegt sowie der Einbauplatz der Technik mit Wartungszugänglichkeit geplant. Es ist eine begehbare Technikebene oberhalb der Schleusen entstanden, die ohne Stahlbau auskommt. Damit konnten die kompletten Produktionsflächen zugesagt werden.“
Die Reinraumanlage ist komplett freitragend konstruiert und besteht aus 22 Räumen, die in 12 Arbeitsbereiche, 2 Büros, Personal- und Materialschleusen und je einen Technik- und Reinigungsraum aufgeteilt sind. Der gesamte Bereich ist auf die Reinraumklasse ISO 8 ausgelegt. 126 Filter-Fan-Units reinigen die Luft in einem Umluftverfahren, um schädliche Partikel von den sensiblen Prozessen fern halten.
Quelle: Artivion
Das Personal soll sich ohne Wartezeiten, in einem Zeitfenster von nur 20 Minuten, an seinen Arbeitsplatz einfinden. In der finalen Lösung wurden drei große Personalschleusen geplant, die auf einen gemeinsamen Zwischenflur führen, der zwischen den Personalschleusen und dem Arbeitsbereichen liegt. 16 Rolltore und 12 Schiebetüren ermöglichen einen bequemen und sicheren Zutritt über berührungslose Winkschalter in die einzelnen Bereiche.
Artivion hat neben den funktionalen Abläufen auch auf eine gute Arbeitsatmosphäre innerhalb der Reinräume geachtet. Dazu Florian Tyrs: „Die Produktion unserer Stentgrafts und der dazugehörigen minimalinvasiven Einführsysteme verlangen einzelne Arbeitsschritte, die miteinander koordiniert werden müssen. Deswegen haben wir verschiedene Räume in der Reinraumanlage geplant, in denen einzelne Teams arbeiten. Auch für die Arbeitsatmosphäre sind kleinere Einheiten förderlich. Das war uns sehr wichtig. Die Reinräume sind hell und laufen vor allem auch leise und mit wenig fühlbaren Luftzug. Wir haben bisher sehr positive Rückmeldungen unserer Mitarbeiter. Die Arbeitsbedingungen haben sich im Vergleich zu unserem alten Reinraum deutlich verbessert.“
Quelle: Artivion
Quelle: Artivion
Lieferung in fünf Etappen
Lieferung und Aufbau wurde von der Reinraumfirma in fünf Etappen geplant, so dass Schilling Engineering während der Installation einer Etappe die Bauteile für die nächste Etappe als fertige Bausätze vorproduzieren konnte. Für die aufwändige Klimatisierung wurden vier Klimageräte auf der begehbaren Oberdecke des Schleusenbereichs installiert. Eine weitere Hauptklimaanlage steht außerhalb des Gebäudes. Zusätzlich gibt es eine Feinregelung für einzelne Räume über 9 dezentrale Deckengeräte. Die Reinraumanlage wurde nach GMP Vorgaben qualifiziert, mit einer Fernwartung sowie einem Monitoring der Firma Briem ausgestattet. Der Reinraum zur Produktion der Produkte wurde anschließend von der DEKRA auditiert freigegeben.
Die Geschäftsführerin ist sichtbar stolz, wenn sie die komplexe Anlage betrachtet, in der ein Zahn in den anderen greift: „Wir sind sehr stolz, dass wir das Projekt mit der Qualifizierung im gewünschten Zeitrahmen umsetzen konnten unter den erschwerten Bedingungen der pandemischen Situation wie Lieferengpässen und Personalausfällen. Hierbei möchte ich mich für die sehr gute Zusammenarbeit mit Artivion bedanken. Die Herausforderungen konnten gemeinsam durch die Unterstützung und schnellen Kommunikationswege gemeistert werden.“