PROZESSAUTOMATISIERUNG & DIGITALISIERUNG
Wirkstoffforschung und Künstliche Intelligenz
Forscherinnen auf der ganzen Welt treibt die Suche nach neuen Antibiotika oder Virostatika um, die multiresistente Erreger in Schach halten oder neue Erreger bekämpfen. Sieht ein Wirkstoff vielversprechend aus, muss er vor der Zulassung für Menschen und Tiere nicht nur sprichwörtlich auf Herz und Nieren getestet werden – der Prozess startet bereits im Reagenzglas. Die Forschung am lebenden Organismus wird aber zu einem späteren Zeitpunkt unumgänglich, um das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen im Menschen zu vermeiden.
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Larven als Ersatz für Tierversuche
Zum Gamechanger in der Wirkstoff- und Toxizitätstestung könnten Zebrafischlarven werden. “Das Besondere an den Larven ist, dass sie schon in den ersten 120 Stunden nach der Befruchtung ein Organsystem mit Nieren und Leber ausbilden. Ob ein Wirkstoff vom Organismus abgebaut werden kann oder toxische Nebenwirkungen zeigt, kann an ihnen daher viel besser getestet werden als an einfachen Zellkulturmodellen”, sagt Dr. Jennifer Herrmann, Teamleiterin Biologie am HIPS. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes.
Durch ihre gute Vergleichbarkeit mit höher entwickelten Spezies können die Untersuchungen an Larven Tierversuche in der frühen präklinischen Entwicklung von Medikamenten zum Teil ersetzen. Am HIPS werden die Larven bereits in kleinem Umfang erfolgreich in der Wirkstoffforschung eingesetzt. Dafür wurde das Zebrafisch-Team des Instituts im Sommer vom saarländischen Umweltministerium mit dem Forschungspreis „Alternativen zu Tierversuchen“ ausgezeichnet.
Maschinelles Lernen als Beschleuniger der Testverfahren
Das Problem: Bisher ist das Verfahren nur für eine begrenzte Anzahl an Tests einsetzbar. Denn noch muss jede Larve zwei Mal am Tag von den Forschenden unter dem Mikroskop untersucht werden. Durch die Behandlung mit Wirkstoffkandidaten auftretende Veränderungen in der Entwicklung der Larven sind mit dem bloßen Auge oft nur schwer zu erkennen. Kommt es zu krankhaften Veränderungen oder Einflüssen auf die Entwicklung der Larven, lässt sich aufgrund der rapiden Entwicklung der Larven kaum nachvollziehen, wann genau diese eingetreten sind. Das Verfahren ist zudem sehr zeitaufwändig und daher noch nicht in größerem Umfang einsetzbar.
Gemeinsam wollen HIPS und CISPA das ändern. “Wir werden Methoden des maschinellen Lernens entwickeln, die bildbasiert schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Entwicklung der Larven nach einer Testung vorhersagen und Anomalien erkennen können. Somit können viele Versuchsreihen vorzeitig beendet werden, was Zeit und Geld spart. Außerdem können wir damit einen hohen Grad der Automatisierung der Experimente erreichen. Wir vermuten zudem, dass solche Algorithmen sogar die menschlichen Fähigkeiten, Mikroskopie-Daten zu analysieren und zu interpretieren, überschreiten können”, erklärt CISPA-Faculty Prof. Dr. Mario Fritz.