NACHGEFRAGT BEI ...
Interviewpartner:
PHARMATECHNIK: Was sind Ihre „Helden“ aus der Technik, Industrie oder Forschung?
Strube: Das sind u. a. Alan Turing, John von Neumann und Norbert Wiener. Alan Turing hat die theoretischen Grundlagen für das Computerzeitalter geschaffen. Er hat bereits sehr früh über Berechenbarkeit, Künstliche Intelligenz, Maschinenlernen, Komplexitätstheorie und Theoretische Biologie nachgedacht. Aus Norbert Wieners Kybernetik ist das entstanden, was wir heute als moderne Künstliche Intelligenz betrachten. Und über John von Neumann kann man so viel sagen, das passt hier nicht mehr hin. Ich finde insbesondere seine Theorie selbst-replizierender Automaten sehr spannend.
PHARMATECHNIK: Was ist für Sie die wichtigste technische Entwicklung aller Zeiten?
Strube: Die technische Entwicklung ist eine Abfolge von vielen wichtigen Entdeckungen und Erfindungen, vom Feuer über Dampf bis hin zu Strom. Auch wenn gesellschaftlich die Verbesserung von medizinischen und sanitären Rahmenbedingungen bisher größere Auswirkungen hatte, finde ich Computer am spannendsten. Heute wissen wir noch nicht, was sich daraus ergibt – aber der Computer hilft uns, über Realität, Leben und Intelligenz nachzudenken. Vielleicht ist das aber auch nur eine Metapher, wie es einst Uhrwerke, Dampf und Strom waren.
PHARMATECHNIK: Für welche moderne technische Entwicklung sehen Sie die größte Zukunft?
Strube: Synthetischen Biologie hat das Potenzial, Nahrungs- und Energieversorgung und Gesundheit für alle zu ermöglichen. Allerdings ist die Komplexität der als Leben organisierte Materie so groß, dass sie uns überfordert. Computer und künstliche Intelligenz können uns helfen, diese Komplexität zu verstehen, das hat DeepMind mit AlphaFold gezeigt, mit dem die Proteinstruktur aus Aminosäuresequenzen vorhergesagt werden kann. Vielleicht können wir so die großen, aus dem Klimawandel resultierenden Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
PHARMATECHNIK: Welche gesellschaftliche Entwicklung wird den größten Einfluss auf die Zukunft haben?
Strube: Die große Frage für mich ist, wie die Gesellschaft mit Fortschritt und Krisen umgeht. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Verlierer des Fortschritts und bedrohliche Krisen von vielen ignoriert und verdrängt werden. Die Frage ist somit, ob wir eine auf Vertrauen und Gerechtigkeit basierende Demokratie etablieren, oder ob Gesellschaften immer weiter zersplittern und sich reaktionäre Kräfte, Neo-Liberalismus und Totalitarismus durchsetzen. Denn dann werden wir die gesellschaftlichen Herausforderungen wohl nicht meistern können.
PHARMATECHNIK: Was halten Sie für die wichtigsten Errungenschaften Ihres Unternehmens?
Strube: Wir wollen zeigen, dass die Erhöhung der Qualität und Effizienz von visueller Inspektion durch Machine-Learning-Verfahren auch unter höchsten regulatorischen Anforderungen realisierbar sind. International wird zunehmend der Bedarf an Regulierung von Künstlicher Intelligenz deutlich, nicht zuletzt im Vorhaben der EU, Künstliche Intelligenz durch die geplante, weitreichende und bald in Kraft tretende KI-Verordnung zu regulieren.
InspectifAI trägt maßgeblich zur Erhöhung von Qualität und Sicherheit, aber auch der Verfügbarkeit, von Medikamenten und Impfstoffen bei.
PHARMATECHNIK: Wie beschreiben Sie Ihre Unternehmenspolitik? Was ist das Motto Ihres Unternehmens?
Strube: Im Rahmen der Körber Digitalstrategie geht es darum, die Potenziale von Künstlicher Intelligenz, Software-as-a-Service und Cloud-Anwendungen für die produzierende Industrie zu erschließen. Als InspectifAI fokussieren wir uns dabei auf die Pharmazeutische Industrie. Für diese zeigen wir auf, dass der technische Status Quo überwunden werden kann und dass dabei Regulatorik kein Hindernis ist. Wir stehen für eine neutrale und strategische Klärung dieser Fragen vor dem Hintergrund technischer Gegebenheiten und Zielsetzungen.
PHARMATECHNIK: Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?
Strube: Die aktuellen Krisen zeigen, dass wir gerade in einer neuen Welt aufwachen, die von Klimawandel, Pandemien, Kriegen und Engpässen bei der Energie- und Lebensmittelversorgung geprägt ist. Diese großen Herausforderungen sind leider nicht allein durch Technik lösbar, auch wenn Künstliche Intelligenz wie oben dargelegt hierzu wesentliche Beiträge leisten kann. Entscheidend ist vielmehr eine globale Einigkeit und Kooperation zur Lösung dieser globalen Probleme. Die Schaffung dieser Einigkeit ist daher meines Erachtens die größte Herausforderung.
PHARMATECHNIK: Welche Entwicklungen plant Ihr Unternehmen für die Zukunft?
Strube: Wir werden alle Potenziale moderner Technologie wie KI, Cloud und Edge Computing für bessere Qualität, mehr Sicherheit und mehr Verfügbarkeit von Medikamenten für Patienten ausschöpfen. Wir planen dabei auch, den Aufwand und Datenbedarf für das Maschinenlernen und damit letztlich auch Kosten und Ressourcenbedarf auf betrieblicher Seite minimal zu halten. Und wir werden aktiv dazu beitragen, regulatorische Vorgaben in der Pharmaindustrie auf Künstliche Intelligenz anzuwenden – ein Thema, das derzeit noch in Kinderschuhen steckt.
Herr Strube, vielen Dank für dieses Interview!