ANLAGEN & KOMPONENTEN




 Flexible Produktion bei gleichem Sicherheitsniveau  

Interactive HAZOP bei modularen Anlagen  

Beispiel eines standardisierten Anlagenmoduls (PEA) zur Rektifikation (Gegenstromdestillation) bei Merck in Darmstadt (Bildquelle: Merck Electronics KGaA).

Die pharmazeutische Industrie steht vor enormen Herausforderungen: Immer mehr Produktionsprozesse werden flexibler, die Chargen kleiner und die Arzneimittel individueller. Es gilt, individuelle Produkte in kleinen Losgrößen günstig herzustellen. Diese sollen auch immer zügiger auf den Markt gelangen. Der modulare Anlagenbau gilt dabei als Erfolg versprechend. Bei dieser Produktionsweise werden die Anlagen bei Erreichen der Ziellosgröße umgebaut und an das neu herzustellende Produkt angepasst. Da aber jede relevante Änderung andere Gefahren- oder Risikosituationen hervorrufen kann, erfordern neue Konfigurationen und Parametrierungen eine Gefährdungsbeurteilung. Erst nach einer Prüfung und gegebenenfalls nach der Umsetzung der dabei festgelegten zusätzlichen Maßnahmen darf wieder produziert werden. 

Das Ziel ist eine flexible Produktion mit modularen Anlagen bei gleichem Sicherheitsniveau. TÜV SÜD hat dafür das Konzept „Interactive HAZOP“ entwickelt. In einem Pilotprojekt mit Merck Electronics wurde in einem ersten Schritt ein allgemeingültiges manuelles Vorgehen für Sicherheitsbewertungen bei modularen Anlagen konzipiert. So begegnen Pharmaproduzenten den verschärften Marktanforderungen effektiv.

Modulares HAZOP-Pilotprojekt bei Merck 

Gegenstand der sicherheitstechnischen Beurteilung war eine modulare Produktionsanlage bei Merck in Darmstadt. Merck ist ein Wissenschafts- und Technologieunternehmen für Life Science, Healthcare und Electronics. Das Pilotprojekt sah vor, eine Methode zur Sicherheitsbewertung für eine neu zusammengestellte modulare Produktionsanlage zu entwickeln. In der Anlage sollen kleine, häufig wechselnde, kundenspezifische Produkte mit geringen Volumina hergestellt werden. Erforderlich sind dafür regelmäßige Anpassungen und Umbauten.

Zu berücksichtigen waren die besonderen Strukturen des modularen Anlagenbaus. Hierzu gehören einzelne standardisierte Module, die sogenannten Process Equipment Assemblies (PEAs). Ein geeignetes sicherheitstechnisches Bewertungskonzept muss diese Randbedingungen einbeziehen. Wichtig ist zudem, dass das Konzept die Zuordnung einer PEA zu einem Teilprozess abdeckt und ein lückenloses Zusammenfügen aller PEAs mit ihren Teilprozessen zum übergeordneten Gesamtverfahren erlaubt. Darüber hinaus sollte sich das Konzept in bestehende Strukturen des Genehmigungsprozesses und interne kundenspezifische Arbeitsabläufe mit geringem Aufwand integrieren lassen.

TÜV SÜD und Merck vereinbarten folgenden Bewertungsablauf: 

1

Errichtung und Auslegung der PEA mit einem Beispiel-Teilreferenz-Prozess

2

Verbindung der PEA mit neuem Teilprozess zu einem Teilverfahren

3

Zusammenfügen der Teilverfahren zu einem Gesamtverfahren

Durch Modularisierung wurde die klassische Sicherheitsbewertung auf das modulare Konzept der Anlage übertragen. Verglichen mit den sonst üblichen HAZOP-Vorgehensweisen verlangte die Modularisierung einen deutlich höheren Grad der Systematisierung einschließlich der Dokumentation sowie eine einheitlichere Verwendung von Begriffen. Die verschiedenen Zeitpunkte der einzelnen Teilbewertungen und die unterschiedlichen beteiligten Personenkreise erforderten dies. Auch die Schnittstellen der Teilbewertungen standen im Fokus. Im Rahmen der Projektarbeit achteten Merck und TÜV SÜD weiter darauf, dass alle regulatorischen Anforderungen eingehalten wurden. Damit kann Merck nun eine modulare Anlage betreiben, die flexibler, agiler und schneller zu rekonfigurieren ist und gleichzeitig Stillstandzeiten minimiert.

Autoren


Michael Pfeifer

TÜV SÜD Industrie Service


Birger Bockius

Merck Electronics